Nun ist es schon 10 Jahre her, dass ich im Betheljahr war. Und dennoch kann ich mich an bestimmte Situationen erinnern, als wären sie erst gestern passiert:
Für mein Betheljahr bin ich aus einem 250km entfernten Flecken im Landkreis Lüneburg in die Großstadt Bielefeld gezogen. Gewohnt habe ich in Bethel und meinen Einsatz hatte ich im schönen Sennestadt.
Meine Einsatzstelle war die Tagespflege Sennestadt, eine teilstationäre Einrichtung mit fünfzehn Plätzen. Diese Plätze verteilten sich auf etwa 25 ältere Menschen mit einer Demenz, gerontopsychiatrischen Veränderungen oder einem allgemeinen Pflegebedarf. Das Angebot der der Tagespflege reichte von sozial-kommunikative Angebote wie z. B. Morgenrunde, Zeitung vorlesen, Gesellschaftsspiele, Gedächtnistraining auch Angebote im kreativ-musischen Bereich, zur Bewegung und Entspannung. Eine meiner weiteren Aufgaben war der Hausinterne Fahrdienst.
Durch das tägliche pendeln und den Fahrdienst hatte ich schon einen sehr guten Eindruck von der Größe und einigen Stadtteilen Bielefelds bekommen. Jedoch kannte ich mich in der Umgebung überhaupt nicht aus. Als es nun in meiner zweiten Woche im Betheljahr hieß, dass wie einen Ausflug mit allen Gästen nach Bad Salzuflen machen wollen, sagte mir dieses überhaupt nichts! Offen für neues stimmte ich natürlich sofort zu, den Hauseigenen Bulli zu fahren. Mit einer Kolonne von vier Fahrzeugen fuhren wir in Sennestadt los und alles lief wunderbar …
bis wir in Bad Salzuflen ankamen. An einem Stoppschild ging mir der Motos des Bullis plötzlich aus und wollte so schnell auch nicht mehr anspringen. Ich wurde ein wenig nervös, da ich den Anschluss an die Anderen langsam aber sicher verlor. Und dann stand ich plötzlich an dem Stoppschild, keine Kollegen in Sicht, keine Ahnung von meiner Umgebung und den Wagen voller Menschen mit einer dementiellen Erkrankung.
Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass es nicht allzu lange dauerte bis die Gäste im Wagen unruhig wurden und mich fragten was vor sich ging. Kein Problem! Nach einer kurzen Erläuterung war die Situation geschildert. Wir warten bis uns einer der Kollegen vermisst und zurückkommt und wir rufen den ADAC. Gesagt getan. Das Warten entpuppte sich als eine Karikatur des Filmes: „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Ich kann nicht mehr genau sagen wie oft ich die Situation den Gästen schildern musste … aber glaubt mir, viel zu oft! Durch die Unruhe und Unsicherheit schienen die Gäste Informationen viel schneller zu vergessen und fragten mich mittlerweile in immer kürzeren Abständen wo wir denn seien, was wir hier täten und warum wir nicht weiterführen.
Gott sei Dank merkte meine Kollegin Jutta ziemlich schnell, dass ich nicht mehr hinter ihr war und kehrte um. Gemeinsam entschieden wir, dass ich in ihrem Wagen zum Café fahren um die anderen Kollegen zu informieren. Denn Handys waren zu der Zeit noch nicht so allgegenwärtig wie heutzutage. Ohne Navi und Ortskenntnis schaffte ich es die anderen aufzusuchen und was soll ich sagen, den Rest des Tages verbrachten wir damit zwischen Kuchen, Gesprächen und Spaziergängen die Gäste in Schichten von A nach B zu fahren ohne uns anmerken zu lassen, dass etwas nicht nach Plan läuft.
Gegen 20 Uhr setzte mich meine Kollegin an dem Abend zu Hause ab und bot mir an mich morgens auch wieder abzuholen. Meine Chefin war unglaublich froh mich am nächsten Tag auf der Arbeit zu sehen, denn sie war fest davon ausgegangen, dass ich nach dem Chaos des Vortages meine Sachen packen und kündigen würde.
Dieses stand für mich nie zur Debatte. Denn wir als Team haben für uns vieles an diesem Tag lernen können und weitere Ausflüge während meines Betheljahres hätten nicht besser laufen können.
Für mich habe ich aus diesem nicht so perfekten Ausflug folgendes gelernt:
Gemeinsam schafft man mehr und in der Ruhe liegt die Kraft!
Eure Katharina